Biotonne (Quelle: www.apm-niemegk.de)
Ein Brief der Stadtverwaltung geht um in Suhl. Dieser informiert die Bürger erstmalig und auf seltsame Weise über die Einführung der Bio-Tonne in Suhl. Außerdem setzt er Stadtrat und Bürger kurz vor Ultimo unter immensen Druck. Der Stadtrat soll in der dafür einberufenen Sondersitzung am 18. November 2020 die neue Abfallsatzung beschließen, deshalb ist im Brief von „vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrates“ die Schreibe. Stimmt das gewählte Gremium nicht zu, kann die Satzung am 1. Januar 2021 nicht in Kraft treten. Aber auch die Bürger werden unter Druck gesetzt. Binnen von nicht mal drei Wochen müssen sie den Antrag zur Befreiung vom Anschlusszwang an die Bio-Tonne beim Eigenbetrieb KDS einreichen, und zwar belegt durch Fotos von Kompostern oder Komposthaufen mit in Rotte befindlichem Material plus einer Zeichnung von Haus und Grundstück, auf der die Ausbringungsfläche für den Kompost gekennzeichnet ist. Wie viele Quadratmeter das in jedem Falle sind, muss der Hauseigentümer mitteilen. Pro Person müssen es mindestens 25 Quadratmeter Ausbringungsfläche sein. Jeder kann sich ausrechnen, was das für mehrköpfige Familien bedeutet und auch die Jahresgebühr pro Person von 13,92 Euro kann jeder selbst auf seine Familiengröße umlegen. Dass Rasenflächen zur Kompostausbringung nicht in Frage kommen, findet sich auf dem Rückmeldebogen, der beigelegt ist. Was in die Bio-Tonne rein darf, steht im Brief nicht, genauso wenig wie die Gebühren für die „normale“ Restabfalltonne aufgeführt werden. Das ist aber von der Bio-Tonne nicht zu trennen.
Der Bürger muss wissen, dass es neuerdings eine hohe Grundgebühr pro Person (27,24 Euro) gibt und eine relativ niedrige für die Entleerung der Tonnen (von 1,87 Euro/60-Liter- bis 7,46 Euro/240-Liter-Tonne). Das stellt das Prinzip für Müllvermeidung völlig auf den Kopf und benachteiligt werden große, also Familien mit Kindern. Alternativ-Lösungen für die Umsetzung des von der Bundesregierung beschlossenen und von der Thüringer Landesregierung modifizierten Kreislaufwirtschaftsgesetzes standen lang- und kurzfristig nicht zur Diskussion. Im Gesetz geht es um das Grundprinzip, dass Abfälle, auch die biologischen, wiederverwertet werden. Das geschieht mit dem Bio-Abfall in Städten und Landkreisen auf ganz unterschiedliche Weise und trotzdem gesetzeskonform. Muss es das aufwändige Einsammeln und der viele Kilometer weite Transport sowie die stattliche sechsstellige Zahlungssumme für die Abnahme des Bio-Mülls sein? Oder: Wären die gegenwärtige Fernwärme- und Stromerzeugung aus dem Restabfall in der Verbrennungsanlage oder eine künftige städtische Kompostieranlage nicht ökologisch sinnvoller? Anderswo wird so etwas gründlich untersucht. In Suhl lehnt die Verwaltung schon das Ansinnen der Diskussion vehement ab oder findet die beliebten Gegenargumente „Geht nicht!“ Diskussionsrunden im Vorfeld mit den Bürgern? Kein Interesse!Es wundert nicht, dass jegliches Entgegenkommen für Familien und die Grundstücksbesitzer abgelehnt wird. Im Landkreis Ilmenau bspw. sind die 25 Quadratmeter Ausbringungsfläche pro Haushalt und nicht pro Person in der Satzung festgeschrieben. So wurde das bisher auch in den eingemeindeten Gemeinden Schmiedefeld und Gehlberg geregelt. Im Landkreis Kronach wird auf Kompostierung von Grünschnitt und Gartenabfällen in eigenen kleineren Anlagen gesetzt. Die Beispiele sind fortsetzbar. Bezeichnend für Suhl ist auch, dass die Abfall-Satzungen in den Ortsteilräten bisher nicht zur öffentlichen Diskussion vorgelegt wurden. Aber gerade die ländlichen Ortsteile sind betroffen. Es fragt auch niemand, wohin mit den Tonnen für Müll, Papier, Wertstoffe und Bio-Müll auf den Grundstücken oder wie es ältere Leute bewerkstelligen, diese zu den Stellplätzen zu bringen? Die Hürde wird so hoch gelegt, dass eine Befreiung nur sehr schwer machbar sein wird. Wem diese neue Abfall- und Gebührensatzung wirklich dient, bleibt offen.
Wir Freien Wähler bleiben dabei, diese neuen Müllsatzungen sind weder ökologisch gedacht, noch im Interesse der Bürger, die ohnehin in Suhl schon Weltmeister in der Müllsortierung sind. Sie sind unsozial, bürgerunfreundlich und benachteiligen Familien. Denn auch bei den Mietern von Mehrfamilienhäusern wie in GeWo oder AWG wird das Erwachen kommen, spätestens dann, wenn die Betriebskostenabrechnung 2021 auf den Tisch flattert und der Vermieter die Mehrkosten umlegt.
Zumindest hat der Brief der Stadtverwaltung, gezeichnet von Oberbürgermeister Knapp (CDU), doch schon einige Bürger erregt. Aber auf ihre E-Mails erhielten sie bislang keine Antwort.
Ingrid Ehrhardt, Fraktionsvorsitzende Freie Wähler Suhl - Bündnis 90/Die Grünen
Brigitte Günkel, Vereinsvorsitzende Freie Wähler Suhl