Fukushima hat uns aufgerüttelt. Jeden Montag treffen sich Suhler Bürger zur Mahnwache am Dianabrunnen. Noch sind es nur wenige. Denn die Atomkatastrophe hat uns noch nicht hautnah betroffen. Das ist allerdings nur eine Frage der Zeit. Die Demonstrierenden wissen, dass die Energiegewinnung aus Atomkraft nicht länger verantwortbar ist. Sie war es noch nie. Das Restrisiko der Atomkraftwerke, das von Technikbegeisterten klein geredet und vernachlässigt wird, war von Anfang an eine tödliche Gefahr für Tausende - und das über viele Generationen. Das hat bereits Tschernobyl gezeigt und wiederholt sich jetzt in Fukushima in einem so hochtechnisierten Land wie Japan.
Selbst wenn kein GAU in einem Atomkraftwerk geschehen würde: die Endlagerung des radioaktiven Abfalls ist noch in keinem Land der Erde zufriedenstellend gelöst. Vor allem aber bürden wir den nachfolgenden Generationen auf mehr als tausend Jahre die Last der Bewachung der Endlager auf. Das bedeutet: es ist nicht verantwortbar, Energie auf dem Rücken unserer Nachkommen zu gewinnen.
Diese Erkenntnis treibt viele Menschen auf die Straße: am kommenden Samstag werden es in Erfurt viele Tausend sein, in anderen Städten auch. Der Protest gegen Energiegewinnung aus Atomkraft wird sichtbar und vernehmbar. Das ist wichtig und wird hoffentlich die politischen Entscheidungen für sofortige Energiewende fördern.
Protest ist nur die eine Seite: der sicher sehr notwendige Schritt, mit dem wir unsere Überzeugung sichtbar machen. Der zweite, mindestens genauso wichtige Schritt geschieht in unserer Lebenshaltung.
Wer eine Energiewende fordert und keine Energie verbrauchen will, die von unseren Nachkommen teuer bezahlt werden muss, wird selbst mit konsequentem Energiesparen beginnen. Da kann jeder etwas beitragen. Zum Beispiel im Verkehr: Umsteigen aufs Fahrrad, auf Bus und Eisenbahn! Ökonomisches Autofahren auf der Autobahn - Tempo 120 ist völlig ausreichend und spart enorm. Alle Nachbarstaaten Deutschlands haben auf Autobahnen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wann sind die deutschen Politiker zu entsprechenden Regelungen bereit? Der einzelne Autofahrer aber könnte ja sich selbst eine Begrenzung auferlegen. Flugreisen sollten auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Eine Besteuerung von Flugbenzin würde dem wirksam nachhelfen. Der Einkauf bei Lebensmitteln, auch bei Blumen sollte den regionalen Produkten Vorzug geben. Wir brauchen keine Blumen aus Kolumbien, Ecuador und Südafrika, die den dortigen Erzeugern nur einen Hungerlohn gewähren. Wir müssen alles tun, um die Transportkosten zu minimieren. Dazu gehört auch die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene.
Die Energiewende fordert uns alle. Das Leben auf unserem Erdball soll schließlich weiterhin möglich sein.
Erhard Kretschmann, Leserbrief an "Freies Wort"